Berlinde de Bruyckeres Figuren wirken, als hätten sie nach tödlicher Qual ihren Frieden gefunden. Manche halten sich liebevoll als Paar umschlungen. Oft liegen sie auf Kissen, Matratzen oder Wolldecken gebettet. Die scheinbar direkt nachbildende Art ihrer Ausführung, die unmittelbare Wiedererkennbarkeit menschlicher oder tierischer Körper, selbst wenn sie nur als Torso erscheinen, lassen wenig Raum für Interpretationen. Es ist das Faszinosum der Vergänglichkeit, ihrer Ambivalenz zwischen Leid und Erlösung, auf das diese Arbeiten monothematisch hinlenken. Die burleske Dramatik eines Francis Bacon, mit dessen Malerei de Bruyckeres Werk oft verglichen wird, fehlt ihnen ebenso wie die trockene Ironie eines Bruce Naumans. Eine eigentümliche Stille breitet sich um die gemarterten Körper aus, weil die Künstlerin ihnen, als wären sie echte Leichname, ein nicht aufgesetztes Pathos und Mitgefühl angedeihen lässt.

De Bruyckere richtet sich scheinbar an Motiven mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kunst aus – sie nennt als Bezugsgrößen Hieronymus Bosch und die Brueghels, den Hochaltar Jan van Eycks in ihrer Heimatstadt Gent, Albrecht Dürer und Lucas Cranach des Älteren, aber auch Malerei und Skulptur des Barock. Vieles andere ließe sich aus kunsthistorischen Zeiten anfügen, als den Tod noch eine Demut gebietende Aura umgab. Ihm diese glaubwürdig über den Weg der figurativen Kunst zurückgeben zu wollen, ist in der Gegenwartskunst kein ganz selbstverständliches Vorhaben.

Filme Pier Paolo Pasolinis haben de Bruyckere auf ihrem Weg der Aktualisierung beeinflusst, insbesondere „Das Erste Evangelium – Matthäus“, in dem der Körper in seinem Leiden und Begehren in die Dimension eines überzeitlichen Mysteriums erhoben wird. Mit Pasolini, aber in anderer Hinsicht auch mit Joseph Beuys oder Hermann Nitsch verbindet de Bruyckere das Wagnis, archetypische Bildformeln mit einer heute als fast obszön verheimlichten Sehnsucht nach Transzendenz zu einem aktuellen Thema für Gegenwartskunst zu verbinden. Das Überzeitliche dieser Bildformeln verfolgt sie dabei mit einer Konsequenz, die man seit Malewitsch und Duchamp wohl kaum mehr für möglich gehalten hätte.

In Berlin und anderen Städten gerade in Ostdeutschland fallen in den letzten Jahren immer mehr die mit erkennbarem ästhetischen Aufwand aufgemöbelten öffentlichen Grünflächen und Parks ins Auge, die vor wenigen Jahren noch struppigen, mit Müll und anderen Altlasten durchsetzten Brachen geglichen haben. Plötzlich und an etlichen Orten zugleich schien jedoch der Volksparkgedanke wieder aufzuleben, manchmal sogar unter virtuos anmutender Einbeziehung von DDR-Bauten, wie im Berliner Volkspark Friedrichshain, wo sich vis à vis von einem zugeschütteten Nazi-Flakbunker, einem Denkmal für polnische Kriegsopfer, und Ludwig Hoffmanns »Märchenbrunnen« aus den 1910er Jahren sowie einer wiederentdeckten Denkmalstele Friedrichs II. aus dem 19. Jahrhundert wie selbstverständlich ein renovierter Pavillon der DDR-Moderne als Nobelrestaurant geriert. Ähnlich aufwendige Stilpanoramen findet man inzwischen auch in Leipzig, Dresden, Potsdam, Dessau/Wörlitz oder Schwerin; im Westen wurden da und dort schon in den 1990er Jahren alte Volks- oder Schlossgärten reanimiert.

Gut möglich, dass diese historisierenden Umgestaltungen von städtischen Freizeitzonen in den Normalisierungsdiskurs der Berliner Republik einzuordnen sind. Dass es zum Zeitgeist in Stadtverwaltungen und bei nicht wenigen BewohnerInnen der Orte gehört, möglichst viel »alte Bausubstanz« repräsentativ wieder herzurichten oder zu rekonstruieren, wie auch bei den »kritischen Rekonstruktionen« historischer Stadtschlösser, Kirchen, ganzer Innenstadtbilder. Der einst revolutionären Volksparkidee, die darin bestand, schichtenübergreifend Erbauung in großen, zuvor nur dem Adel zugänglichen Parks und Gärten zu ermöglichen, käme heute die Funktion einer gutbürgerlich gemeinten Konsenslandschaft zu, durch die man wieder ganz entspannt, »unkompliziert« mit der Vergangenheit umgeht, die man in diesen Anlagen nicht zuletzt als Kultur wahrnimmt, auch wenn (oder gerade weil) es die »deutsche« ist.

Doch kann diese Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Erholungsräume zugleich in der Versenkung verschwinden. Und so, wie sie auf den Fotografien von Isabella Hollauf wirken, scheint dies auch beabsichtigt zu sein. Diese Anlagen dürften außerdem in der deutlichen Überzahl gegenüber den restaurierten sein: seltsam blicklos geworden, unansehnlich oder gleich unsichtbar, weil überbaut.

Der Donaupark in Wien etwa war das Vorzeigeprojekt einer öffentlichen Freizeitkultur der 1960er Jahre in Österreich. Eröffnet zur Internationalen Gartenschau, versprach dieser Park Erholung und Bildung für alle. Ein Zeitungsfoto jener Zeit, das Hollauf recherchiert hat, zeigt einen Wegweiser, auf dem das überbordende Angebot aufgelistet ist, das von Milchbar über Sessellift zur Industrieschau reicht – alles gratis, versteht sich. Dazu Lesegärten und Wasserspiele, Seminarräume und Sportanlagen. Davon ist in Hollaufs aktuellen Aufnahmen nichts mehr zu sehen. Rentner und Jogger teilen sich den jetzt seltsam leer wirkenden Park. Teilweise sind Apartments herangerückt, deren Bewohner den Park aber nicht nutzen.

Öffentliche Bäder, Kleingartenvereine, Schwimmstadien oder Baggerseen, Spielplätze künden in den historischen Materialien, die Hollauf an den Wänden der Ausstellung in einer Reihe ausbreitet, von einem wohlstandsstolzen Gesellschaftsgefühl, das zugleich die öffentliche Erholung von der Wiederaufbauarbeit nach dem Krieg bestimmte. Vor allem sozialdemokratisch dominierte Administrationen in westlichen Ländern scheinen Hollauf zufolge diese Strukturen gefördert zu haben: Arbeiter und Angestellte für den geleisteten wirtschaftlichen Wiederaufstieg kollektiv zu belohnen, indem man kostenlose Freizeit ermöglichte, die sich auch am Ideal einer zwanglosen Volksbildung orientierten durfte. Dem Normalisierungsdiskurs dieser Jahre haftete freilich immer noch das Bewusstsein an, dass man für Normalität im Grunde dankbar sein musste. Die Großzügigkeit der Anlagen, die Hollauf dokumentiert, zeugt davon wie auch der Erleichterung über die Normalität auf allen Ebenen.

Dass die sozialistischen Staaten, die sich in dieser Zeit ebenfalls einer aufstrebenden Wirtschaft erfreuten, ihrem Selbstverständnis gemäß einen Teil der erwirtschafteten Gewinne in Erholungsräume für die Arbeiterschaft investierten, dürfte wiederum selbstverständlich gewesen sein. So entstand aber gerade in sozialistischen Ländern eine so reichhaltige Freizeitinfrastruktur, dass ein Großteil von ihnen schon vor dem wirtschaftlichen und politischen Bankrott dieser Staaten nicht mehr zu unterhalten war.

Hollaufs nüchterne wie auch melancholische Fotoserien dokumentieren die Abschaffung einer Gemeinschaftsstruktur, die sich offenkundig überlebt hat, weil sie womöglich nicht distanziert, nicht spielerisch genug mit der Geschichte umging, aus der sie hervorgegangen war. Eher erinnerten sie immer noch an die Mühen und Depressionen der fortdauernden Bewältigung dieser Geschichte, die nach dem vergleichsweise mühelosen Sieg des westlichen Wirtschaftssystems weitgehend vergessen sind, außer von denen, die sie selbst erlebt haben.

Hollaufs Bilder legen auch den Eindruck nahe, dass es bei diesen Anlagen keine behutsame Transformation, keine Versuche einer rücksichtsvollen Anpassung an eine heutige Freizeitästhetik gibt und geben soll, sondern nur Auslöschung: Absperrung, Überbauung mit Parkplätzen, Wohnungen, Straßen. Wenn Hollauf gar von einer verlorenen Utopie spricht, neigt sie sogar selbst schon dazu, die Orte zu dematerialisieren. Es gab diese Anlagen wirklich.

(Springerin, 04/2008)

 

Die Ironie ist keine amerikanische Erfindung. Doch was wäre das Zeitalter der Ironie ohne Amerika?

Mit der Mayflower kam auch das Fernsehen über den Atlantik, heißt es ironisch bei Don DeLillo. Gemeint ist die „amerikanische Sehnsucht nach der universellen Dritten Person“ – nach dem großen weiblichen oder männlichen Ego, das man sich vor dem Fernseher, im Kino, in den Games erträumt. Um 1620, zu Mayflower-Zeiten, musste man sich noch mit Siedlerreisen begnügen und hoffen, dass in der Neuen Welt das alte Europäische Ich endlich abstirbt.

Heute sind die Gadgets für die Auswahl der gewünschten Rollen leichter zur Hand, und schneller. „Real“ zu sein in Amerika, das heißt die Rolle eines bodenständig-realen Ichs zu spielen, ohne es für ganz voll zu nehmen. „Wahre“ Ichs gibt es eben nur noch im alten Europa, das inzwischen zur Metapher verblasst ist für alles, was man schon immer hinter sich lassen wollte. Nicht von ungefähr reklamiert so ziemlich jede gutbürgerliche Familie Neuenglands für sich, von einem Passagier der Mayflower abzustammen, als wäre es ein Makel, nicht früh genug ausgewandert zu sein.

Ein Ich darzustellen, um damit die andere Seite, die man hinter sich lassen möchte, abzuspalten, wissend, dass man sie trotzdem weiter mit sich herumschleppt – darin besteht aber nun einmal das Grundprinzip von Ironie. Denn der Spott des Ironikers trifft immer das Andere an ihm selbst, den Schatten, den er nicht los wird und der zugleich die Bedingung der ironischen Möglichkeit ist. Denn Ironie ist der Grenzfall, der spielerisch verzierte Eingang zur Spaltung, zur Schizophrenie. Der Ironiker ist der geistige Borderliner, der keinen Schmerz mehr kennt in seiner spielerisch zur Schau getragenen Selbstverstümmelung.

Ironie verlagert das Pathos der eigenen Geschichte in den Bereich des Rollenspiels, der sozialen Strategieplanung vor dem Wandspiegel. Universale Gesetze akzeptiert sie nur noch als Zitat. Amerikanisch sein wollte die abendländische Welt in dieser Hinsicht schon, bevor es jenes Amerika überhaupt gab, das nachträglich zum Sündenbock für die Existenz all dieser Selbsterfindungs-Sehnsüchte erklärt werden konnte.

Demnach läge das fransenhafte Beginnen des Ironischen Zeitalters mit dem des sogenannten „Zeitalters des Bildes“ historisch gleichauf. Wobei mit dem Zeitalter des Bildes das heutige, gegenwärtige gemeint sein soll – mithin dasjenige, das Bilder weitgehend bedeutungslos gemacht hat. Denn dem Bild geht es in diesem Zeitalter genau wie dem amerikanischen Ego. Ein Bild, das erscheint und sich überall als Kopiervorlage für alle möglichen lebensnahen Situationen anbietet, also sein Bild-Sein behauptet, muss zugleich seine Realität, seine Bedeutung hinter der Oberfläche möglichst negieren und hinter sich lassen. So sind Medienbilder. Ihre Strahlen führen nirgendwo hin, aber dass das Publikum in ihrem Anblick stets bereitwillig seinen Willen zur Sinnstiftung ergänzt, um sich von ihnen hypnotisieren zu lassen, ermöglicht diesen Bildern erst ein, pardon, kulturelles Sendungsbewusstsein.

Ein Bild mit Schatten, mit einem bedeutungsdräuenden, raunenden „Dahinter“ erscheint daran gemessen wie ein Leben in der vierten Dimension – auf zwei historisch auseinandergedrifteten Kontinenten zugleich. Auch in dieser Hinsicht erweist sich die Entwicklung der technischen Virtualität als Gadget eines alten Wunsches, ein „relatives“ Leben zu führen, in dem man sich ungestört in Echtzeit aufspalten kann. Virtualität wäre in ihrer technischen Umsetzung damit nur die zweite Ableitung der vorausgegangenen Bedeutungsabspaltung.

Nietzsche, obwohl lange nach den Siedlern der Mayflower geboren, war wohl der erste, der das Denken des bedeutungslosen ICH-Bildes konsequent vorexerziert hat. Um ein Sprachbild wie „Gott“ überhaupt noch anzuwenden, musste seine Bedeutung negiert und in diesem Fall mit Hilfe einer schlichten Inversion gelöscht werden, indem „Gott“ für endlich, für „tot“ erklärt und damit zum Nullbegriff wird. Nietzsches Ironie ist gewissermaßen praedadaistisch.

Gott, in eine unendliche Negation verwandelt, zieht die Lust am Verlust-Schmerz auf sich. Nietzsches ironische Lehre wirkt entdeckerisch, sie betritt denkerisches Neuland, wie einst die weit gereisten Siedler. Sie ist noch nicht im Gelände geübt, noch nicht erfahren genug auf ihrem Terrain, sie strauchelt; Nietzsches Performance war noch nicht cool, alles andere als das: Sie war sich selbst nicht geheuer und dadurch noch Quelle wahrer, unkontrollierbarer geistiger Leiden. Nietzsche lebte die Ich-Negation geradezu vor, indem er in langjährige Umnachtung fiel. Gerade die Heftigkeit seiner sprach-neurotischen Grenzsituationen, in der die Aussage „von etwas“ direkt neben der Aussage „von nichts“ steht oder das eine in das andere ohne weiteres übergeht, macht ihn aber zu einer Figur mit der exemplarischen Grunddisposition, die das ironische Zeitalter auszeichnet. Und wie soll man sich wehren gegen diese Ironie der paradoxalen Gleichzeitigkeit? Hat die Ironie ein Schicksal, Fate of Irony, oder dient sie gerade dazu, Schicksal zu beseitigen und ist dadurch unser Schicksal am Ende gar die Ironie?

Sein explizites nervliches Leiden unterscheidet Nietzsche zumindest in der Konsequenz seines Denkens wesentlich von den allermeisten seiner heutigen coolen Töchter, Söhne und Enkel im Ironischen Zeitalter. Aber seine Voraussetzung, dass man sich auf keine Sprachfigur und kein Bild mehr beziehen kann ohne diese ironische Distanzierung, ohne die selbstgängige Negation oder Explosion von Bedeutung, haben sie und wir alle nach wie vor mit ihm gemein. Obwohl Ironiker immer für unberechenbar und daher für potenziell gefährlich gehalten werden, ähnlich wie Schizophrene, verdeutlicht Nietzsches Beispiel zugleich, dass die Ironie nur unter erheblichem Druck zustande kommt – mag dieser Druck einer äußeren, historischen oder einer inneren, psychischen Situation entspringen: Innen und außen haben gerade hier fließende Grenzen.

Wenn ich keinen Kommunikationspartner mehr zu finden glaube, weil mir die Semantik meiner Sprache, meiner bisherigen Zeichen, nicht mehr abgenommen wird; wenn mir scheint, dass mir kommunikativ der Atem abgeschnitten wird, entwickle ich, sofern ich mich nicht stumpf ergebe, eine Strategie kommunikativen Überlebens.
Wenn mir das Wasser der Isolation bis zum Hals steht, kommuniziere ich in der Sprache des Wassers – ahnend, dass ich sie nie beherrschen werde. Aber diese Sprache umgibt mich, es scheint ihr egal zu sein, wer sich ihrer annimmt, und ich habe nicht die Aussicht und überhaupt auch nicht den Gedanken, mit ihr einen Aufstieg zu machen. „Ich“ will schließlich nur kommunikativ überleben. „Ich“ assimiliere „mich“, verwandle „mich“ an, wissend um „meine“ bleibende Andersheit, Fremdheit. Das Wasser ist nicht „mein“ Element, aber gerade dieses „Nicht-Ich“ prägt meine Form der Kommunikation. „Ich“ springe über „meinen“ Schatten, „ich“ lasse ihn hinter „mir“, „ich“ werde ihn aber dennoch nicht los. Ein Teil meines untauglichen Vorlebens verfolgt „mich“, und „ich“ muss „mich“ darauf beziehen. Es zieht „mich“ sozusagen an den Beinen hinunter. Das ist die Geburt des Ironikers, des Strategen der Flucht, der es schafft, mit einem Klotz am Bein zu schwimmen.

Die soziale Kultivierung der Ironie zeugt von Erfindungsgabe, mit derart klotzigen Missständen umzugehen und das metaphysische Überlebensleiden locker zu überspielen. Technologie ist ein guter Weg. Der Sinn technologischen Fortschritts in den sogenannten westlichen Kulturen besteht im Wesentlichen in dieser Prothesenfunktion. Sie ist mittlerweile aber weit über den westlichen Rahmen hinaus gefragt. Das nennen wir Globalisierung.

Das Fernsehen ist eine museale Ikone dieser Kulturtechnologie, kurz davor, das bedeutungslose, omnipräsente Bild, ohne das nichts real ist, an das Web 4.0 abzutreten. Ironiegetränkte Maßnahmen, Prothesen, die als solche nicht mehr greifbar sind; Kultur-Technologie, selbst-imitativ, lustbringend und selbstreferenziell bis in die fünfte, die zwanzigste Ebene plus unendlich. Manchmal scheint es, als vollzöge die Gegenwart nur, was sie sich von der jüngeren Kunstgeschichte abgeschaut zu haben meint: Pop Art als medial multiplizierter Lifestyle. Dann sieht es so aus, als liefe das, was wir uns Kunst zu nennen angewöhnt haben, ihren eigenen Schatten hinterher, um die Schatten der Bilder wiederzufinden, sie einzufangen und sichtbar zu machen und das Wissen um die nervlichen Leiden an der unausweichlich voranschreitenden Aufspaltung der Bedeutungen nicht zu verdrängen.

Schwankend ungewiss zu bleiben, zum Gegenbild einer schattenlosen Ironie der Bilder zu werden – das wäre nicht die schlechteste Rolle einer heutigen Kunst. Wir wissen ja nicht, was kommt.

Noch einmal, denke ich, und alle Schemen und Träume der letzten Monate stehen vor mir; der Weg, die endlose Fahrt und die Ankunft auf einem Bahnhof, der wie im Jenseits lag; eine Stadt, auferstanden nur zu ihrer eigenen Simulation, eigefärbt von den giftigen Wolken der Erinnerung.
Ich sehe Lisa: eingekapselt, eingesponnen in die Wohnung, im Traum einer Zuflucht. Wo immer sie war, was immer sie dachte – damit wäre es jetzt vorbei. Und ich, was soll ich tun? Wer anderes wäre geeignet, sich auf die Reise zu machen?

Noch einmal vorbei an den verrottenden Engelsskulpturen, entlang der sogenannten Paradestraße, so real, wie ich es nie wieder habe sehen wollen. Es hat zu regnen begonnen, und der Regen verwandelt den Sand, der aus Baustellen links und rechts geworfen wird, in Schlick. Wieder das bleierne und wie im Fall aufgehaltene Licht über dem Boden, zwischen den alten Palazzi.
– Die schleichende Verrottung Naturgewalt! hat Bernhard gerufen, wenn wir hier entlanggingen.
Früher ist mir das anders vorgekommen.
Das langsame Vermodern war der nüchterne Naturzustand dieser Fassaden. Und Bernhard dazwischen, die lebende Wachsfigur.

Aus den engen Straßen und Gassen quillt das Nebellicht auf die verschoben wirkenden Plätze. Der Blick wird nach oben gezogen von dem an den Burgfelsen gedrückten Stadtkern. Uferanwesen auf der anderen Seite mit gleichmäßig ausgeschnittenen Freizeitgärten, brusthohe Landschaftsteiler und Laubenbögen, nach englischem Vorbild kastenartig zurechtgestutzt. Die besseren Viertel liegen jenseits der Trambahngleise und sind an ihren falschen, grauen Dächern zu erkennen.
Ich steige aus dem Taxi in den Nieselregen, der mir ins Gesicht weht, gehe über den leeren Hof, einen Bogen entlang der Begrenzungsmauer, um in die Seitenfenster zu sehen, ob eines beleuchtet ist. Es riecht nach überhaupt nichts, nach Nicht- Anwesenheit. Das ganze Haus erscheint unbewohnt.
Es wird nicht viel übrig bleiben. Drei, vier Worte, ein Satz. Während ich zu ihrer Wohnung hinaufgehe, sehe ich Lisa schon vor mir. Ich sehe ihr Gesicht, ihre Enttäuschung, ihre zitternden Pupillen, die mein Gesicht absuchen nach dem Grund meines Erscheinens. Kaum denkbar, dass sie an gute Absichten glaubt. Ich sehe ihre Unentschlossenheit, ob sie in Tränen ausbrechen oder vor Wut wie irrsinnig loslachen soll.
Die Klingel gibt keinen Ton von sich. Auf mein Klopfen hin regt sich nichts. Ich warte eine Weile, dann ziehe ich meinen Schlüssel und öffne die Tür.

Der Wohnungsflur ist dunkel und schlecht gelüftet. Etwas Licht kommt durch die Türen am anderen Ende und mit ihm das Pochen des Regens an die Fenster. An der Garderobe hängen drei leere Bügel. Es ist ein Geruch nach Bernhards Seifen, Salben und anderen Pflegemitteln, der die Wohnung erfüllt, vermischt mit einer leichten Note von Urin. Ich erkenne meinen leisen Ekel wieder, mein Körper erkennt die Umgebung. Von selbst unternimmt er die Wiederbelebung der alten Beziehung.

Ich habe keine Ahnung, wo Lisa ist. Ich richte mich darauf ein, zu warten. Doch je länger ich allein bin, desto mehr habe ich das Gefühl, etwas bewege sich um mich herum, ein Schatten, ein verhaltener Atem. Irgendwann stehle ich mich langsam vom Wohnzimmer hinüber zur Küche und schnelle im selben Moment hinter der Küchentür wieder hervor. Aber niemand ist hinter mir, nichts ist zu hören. Alles ein Spuk.
Bernhard war der Meister des Verschwindens. Jeder hat versucht, sich von Anfang an vor ihm aus der Affäre zu ziehen. und nichts sonst. Das war die menschliche Grundreaktion auf ihn und seine Erscheinung, sein Wesen. Eine Kettenreaktion, um ihn dingfest zu machen; einzukreisen mit Theorien für sein Verhalten, zu erklären, was unerklärlich erscheint und ihn so zum Verschwinden zu bringen. Man könnte meinen, er habe das immer herausgefordert.
Vielleicht hat er es tatsächlich darauf angelegt, wer weiß. Er verschwand sozusagen nach oben, aus seiner Perspektive, aus der der anderen nach unten. Es war sinnlos, mit ihm oder anderen darüber zu diskutieren. Alle, die ihn gekannt und erlebt haben, wollen ihn auf eine verblüffend ähnliche Weise erkannt und erlebt haben, jedenfalls waren sie sich immer recht einig in ihren Beschreibungen, dass er schräg, seltsam, anstrengend, unzuverlässig, hilfsbedürftig, manchmal bedrohlich sei und in jedem Fall einer Therapie bedürfe. Nur dass diese Weise der Betrachtung eben nicht Bernhards Weise ist. Bernhards Weise ist niemandes Weise.
Mit Unbeteiligten konnte ich immer am besten über ihn sprechen. Da sehe ich ihn und unser Verhältnis klarer vor mir als sonst. Dass er und ich immer schon zwei getrennten Welten angehörten. Anfangs haben wir Beweise für das Gegenteil gesucht.
Immer gibt es auch dabei das andere Gefühl, so wie man sich unvermittelt an eine Melodie erinnert, nur dieses eine berühmte Bruchstück, es kommt von weit her und kommt dir vertraut vor, und du kannst nicht aufhören, es zu wiederholen in der Hoffnung, dass irgendwann daraus wieder das ganze Stück, die ganze Melodie entsteht oder wie du sie dir vorstellst. Aufdringlich und erleichternd zugleich, so könntest du gar nicht anders, als dich dann, wenn du dich zu erinnern glaubst, wieder sicherer zu fühlen, besser als vorher.

– Lisa ist genial, hatte Bernhard einmal gesagt, irgendwann am Anfang.
– Lisa kann hellsehen.
In Gratwein oder anderswo würde einer wie Bernhard niemals eine ihm gemäße Behandlung erfahren, solange er nicht zum Schwerverbrecher geworden sei, hatte Rechberg erklärt. Eine ihm gemäße Behandlung erführe er vermutlich am ehesten an seinem Heimatort in Deutschland, wo seine Mutter lebte. Nichts wichtiger sei in seiner Situation doch für ihn als familiäre Bindungen.
Mit zeitlupenhaften Bewegungen hob Bernhard das Als mit der milchigen Flüssigkeit vom Tisch und führte es zitternd in Richtung seiner Lippen. Er zog die Flüssigkeit wie eine Zunge von außen in sich hinein. Kurz darauf verschwand die Starre aus seinem Gesicht, das hieß: jetzt ließ er mit sich reden, ließ sich bewegen von da noch dort, mit zusammengezwängten Schulten und eingesunkenem Kopf. Er konnte sich zwar kaum auf den Beinen halten, aber es ging langsam voran auf dem Weg hinab, durch das Treppenhaus auf die Straße, wo das Taxi zum Bahnhof schon wartete. Als ob in diesem Moment eine innere Selbsterhaltung zusammengebrochen wäre, sah er mich an von der schwarzledernen Mercedesrückbank aus durch die gerade noch offene Wagentür. Ich weiß nicht, ob er etwas wusste über das Ziel der Reise. Ich hielt seinem Blick stand.
– Sie haben die Verantwortung, dass er Ihnen nicht unterwegs aus dem Zug springt, sagte Rechberg mit gedämpfter Stimme zu Lisa und übergab ihr einige Ampullen, die sie auf ihrer offenen Handfläche wie abwesend betrachtete.
– Nun lassen Sie ihn doch nicht gleich alles sehen! Sorgen Sie alle zwei Stunden dafür, dass er eine bekommt. Dann wird er Ihnen keine Probleme machen …!

Ich hatte beschlossen, mich zurückzuziehen, mit wenig auszukommen, nicht mehr zu kämpfen. Ich habe mich nicht verabschiedet, von niemandem. So bin ich hierher gekommen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich vom Bahnhof der der Kreisstadt nach Kressbach kommen sollte. Am Omnibusbahnhof gab es keinen Hinweis auf eine Linie, die dorthin fuhr. Ein Taxifahrer erklärte mir schließlich, dass es auf der anderen Seite des Bahnhofs noch einen anderen Bushalt gab. Dort verkehrte tatsächlich eine Linie über Kressbach, wenn auch nur alle paar Stunden. Dem Busfahrer musste das Ziel vorher angekündigt werden, denn die entlegenen Dörfer wurden nur bei Bedarf angefahren. Auf der Fahrt stellte sich heraus, dass es bei Kressbach praktisch nie Bedarf gibt. Es lag am Ende eines kleinen, asphaltierten Feldweges, in den der Fahrer eigens auf Verlangen einbog und der nicht breiter war als der Bus selbst. Der Bus wendete dann auf einer offenen Wiese und kehrte von dort aus zurück zur Landstraße.

Der Ort entsprach dem Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte. Insofern war ich zufrieden. Die heruntergekommenen, verlassenen Höfe schlossen sich um den alten Dorfkern, der an seinem nördlichen Ende von der aus Feldsteinen errichteten Mauer des Schlossparks, der so genannt wurde, weil sich darin das Herrenhaus des früheren Gutsherren von Kressbach befunden hat, das jedoch inzwischen ebenfalls verlassen und teilweise auch verfallen war. Insgesamt war es eindeutig, dass im alten Kressbacher Ortskern seit langem niemand seine Zukunft zu sehen schien – nur am vorderen Ende, jenseits der Landstraße, fügte sich ein Fortsatz oder Auswuchs einer kleinen Siedlung an den fast elliptischen Altort an. Dort drüben waren Einfamilienhäuser an einem regelmäßig viereckigen Raster neuer kleiner Sträßchen entlang gewachsen. Die Leute, die hier wohnten, sah man normalerweise nicht im Ort. Sie leben hier draußen wegen der guten Luft und der Ruhe, nehme ich an. Ihre Kinder kutschierten sie allmorgendlich in die Stadt. Ich habe noch nie Kinder in Kressbach gesehen, zu keiner Tageszeit, nicht am Wochenende, nicht irgendwann.

Am Ende der Dorfstraße stand ein einzelner Bau ohne jeden Ausdruck, den man auch für eine Garage halten konnte, obwohl er einer Inschrift nach aus dem 15. Jahrhundert stammen soll. Nur ein kleiner Dachreiter mit einer unter einem eisernen Baldachin aufgehängten Glocke machte sie als Kirche kenntlich. Sie bildete die Reformationsgrenze gegenüber dem Nachbardorf, dessen kleine katholische Pfarrkirche so sehr mit Heiligenbildnissen überladen ist, als habe man der Kargheit des Kressbacher Gotteshauses ein Zeichen bewusster Übertreibung entgegensetzen wollen. Die Äcker ringsum waren allesamt aufgegeben. Ein grüner Flaum hat sich über die ungefurchten Flächen gelegt. Eine kurze Reihe von vier Straßenlaternen leitete von dem provisorischen Omnibushalt zum Dorfkern, der seinerseits von zwei gusseisernen Laternen über der Straße erhellt wird. Ihr leises, windbewegtes Wimmern und das Rauschen der Gräser am Wegrand sind die einzigen Geräusche, die man hört.

Nicht lange, nachdem ich aus dem Bus gestiegen war, erschien von der Dorfmitte her ein Mann, auf dessen Statur das Attribut „vierschrötig“ (im Sinn von „vierkantig“) mustergültig zutreffen würde. Er trug eine braune Wildlederweste über seinem hell karierten Hemd, dessen oberster Knopf geöffnet war und eine leicht gerötete Halspartie freigab. Die Gläser seiner Lesebrille, die an einem Band um seinen Hals hing, warfen zwei helle, unregelmäßige Lichtflecken auf diese Stelle. In seiner Linken hielt er eine Kunststoffhülle mit den Papieren, an deren oberen Ende ein einfacher Kugelschreiber mit einem Werbeaufdruck geklemmt war. Er begrüßte mich mit einer leichten Verbeugung und sprach in geglättetem Dialekt mit mir, wie gewiss mit allen, die nicht aus der Gegend stammten und denen er immer dasselbe zu erzählen hatte. „Machen Sie sich ich in aller Ruhe mit dem Mietobjekt vertraut. Wir haben keine Eile. Mieten Sie für Ihren Sohn oder Tochter?“

Das Dorf war sein Reich; das Universum zwischen den alten Höfen und den neuen Bungalows mit den herabgelassenen Rollläden vor den Fenstern, die davon kündeten, dass hier niemand wider seinen Nachbarn zeugte.

Ich antwortete: „Ich miete für mich selbst.“ Er zog eine Augenbraue hoch, ohne nach Worten zu suchen.

Er empfand deutlich etwas Ungewohntes und setzte einen Blick auf, als hätte ich mir einen spontanen Scherz erlaubt, strich sich kurz über den kaum sichtbaren Bartansatz an seinem Kinn und schien nachzudenken. „Ei, ich weiß net. Dann könnte es eventuell ein wenig unter ihren Ansprüchen liegen. Normalerweise mieten das Studenten.“ Als ich nicht reagierte, verlor sich die Spannung seines Blickes. Er wandte sich ab und wies mir den Weg hinauf in den ersten Stock einer ehemaligen Remise. Sie gehörte zu einem aufgegebenen Hof, der nur noch als Abstellfläche für verrostetes Ackergerät diente. Während ich das Treppenhaus hinaufstieg, blieb er draußen vor der Tür und wartete. Drinnen roch es nach feuchten Wänden und Katzenurin. Die obere Etage hatte drei Zimmer und eine verwahrloste Gemeinschaftsdusche. Die Tür des angebotenen Zimmers stand als einzige offen. Ein winziger Raum, eher höher als breit, mehr eine frühere Küche: ein Tisch, ein Bett, ein Stuhl, eine alte Geschirrspüle, die so groß war, dass sich ihr Unterbau als Kleiderschrank anbot.

„Sie haben sich sicher anders vorgestellt“, sagte der Mann, der inzwischen doch heraufgekommen war und an der Tür lehnte.

„Nein“, erwiderte ich. Ich sagte nicht: Ich suche einen Ort, wo mich keiner findet und könnte mir keinen besseren vorstellen. Ich sagte stattdessen: „Ich nehme es.“ Er sah mich prüfend an. Es überraschte ihn nicht mehr, aber er brauchte trotzdem einen Moment, um diesen Vorgang in sein Geschäft einzuordnen. Er wirkte nicht erfreut, als er den Vertrag auf den Tisch legte.

„In diesem Fall“, sagte er, „brauche ich eine Mietvorauszahlung. Sie sind sich darüber im Klaren, dass es in jedem Fall eine Mindestmietdauer von drei Monaten gibt, egal wie lange Sie bleiben. Diese drei Monate zahlen Sie mir sofort, zuzüglich zu einer Kaution von einem Monat.“ Er erwartete noch immer, dass ich doch noch einen Rückzieher machte. Aber ich legte ihm ein Bündel Scheine auf den Tisch und unterzeichnete.

In den ersten Wochen bin ich kaum über die Grenzen von Kressbach hinausgekommen. Bei meinem ersten Rundgang lief ich nur mehrmals das alte Gehöft herum und betrachtete es von allen Seiten. Die Remise war noch das einzig unbeschädigte Gebäude – früher vielleicht die Scheune und Behausung für Landarbeiter, während das Haupthaus allem Anschein nach vorn an der Dorfstraße gestanden hatte. An der Stelle befindet sich heute nur noch ein Sandplatz, auf den die Autos ausweichen, wenn sie sich in der engen Ortsdurchfahrt begegnen. Die ehemaligen Stallungen sind verfallen, die Dächer halb eingestürzt und die Scheiben zerbrochen. Der untere Teil der Remise dient inzwischen als Garage. Durch die Ritzen des Tores konnte ich eine große, goldfarbene Limousine ausmachen. Sie gehört dem Vermieter. Ich habe ihn öfter dabei beobachtet, wie er das Einfahrtstor der Remise öffnet und behutsam hinausfährt, den Wagen mit leise surrendem Motor auf dem Vorplatz zurücklässt, um das Tor wieder zu schließen und dann bedächtig davonzufahren. Er ruht dabei vollkommen in sich. Er vermietet noch in anderen heruntergekommenen Höfen Zimmer an Studenten, Zimmer wie meines, zu absurden Preisen. Wer konnte je die Absicht haben, ihn dafür zu verurteilen? Wer würde sich je seinen Wuchermieten verweigern? Hier ist er das Gesetz. Es gibt keinen besseren Ort für mich. Ich bin am Ende angelangt. Ich weiß nur noch nicht, wohin mit mir und wohin mit diesem Ende. Darüber habe ich schon lange vor meinem Aufbruch nachgedacht, mitunter verkrampft, um einen Plan auszuarbeiten, ein genaues Vorgehen. Ich staune, wieviel Zeit darüber verstrichen ist, und wie lange ich in diesem Wissen immer weiter existiert habe. Ich brauche einen ersten Schritt, einen Anfang.

Bevor ich hierher gekommen bin, habe ich mich noch bemüht, mein familiäres Leben der Ordnung halber aufrechtzuerhalten. Irgendwann vergaßen sie, dass ich noch anwesend war. Sie redeten über mich wie über einen Abwesenden. Jetzt habe ich viel tote Zeit um mich, das ist einfacher als ein totes Leben.

Seitdem geht es mir besser. Es gibt mir Auftrieb. Keinen fanatischen Auftrieb vielleicht. Ich bin nicht enthusiastisch. Ich werde nicht Kopf und Kragen riskieren. Der Ort gefällt mir, das ist alles. Schon das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Ich kenne die Enttäuschung nur zu gut, wenn etwas Angenehmes plötzlich ins Gegenteil verwandelt. Auf den ersten Blick hinterlässt vieles einen angenehmen Eindruck. Die Illusion lässt sich sogar einige Zeit aufrechterhalten. Man schätzt die Situation als sicher, nützlich und vorausschaubar ein. Dann allmählich verändert es sich. Man bemerkt es vielleicht nicht gleich, und plötzlich ist es die Hölle.

Hier ist alles ruhig und stabil. Ich musste mich nur an die Enge des Zimmers gewöhnen. Man kann sich kaum umdrehen, ohne anzustoßen. Und an die Stille, ja, auch die Stille ist überall. Am Anfang hatte ich akustische Einbildungen. Ich hörte Stimmen im Freien, wo niemand war. Oder das Surren von Überlandleitungen am Horizont. Einmal glaubte ich bei wolkenlosem Himmel das Grollen eines Gewitters zu hören, ein anderes Mal einen Krähenschwarm, der nirgendwo zu sehen war. So etwas kann immer noch passieren, aber inzwischen habe ich Erfahrung und achte nicht mehr darauf.

Eine andere Geschichte ist das mit den beiden anderen Zimmer. Die Sache gibt mir immer noch Rätsel auf. Die beiden anderen Zimmer sind jedenfalls bewohnt, das ist ziemlich sicher. Ich habe meine Nachbarn noch nie gesehen, aber gehört. Gegen Tagesanbruch sah ich einmal Licht unter der Tür des Zimmers links neben meinem. Durch die Wand drangen auch dumpfe Geräusche, und später hörte ich eine Frauenstimme. An sich ist es seltsam genug, dass ich nie jemanden die Treppe hinauf- oder hinuntergehen höre. Aber wer weiß, vielleicht kommen sie ausgerechnet in den wenigen Stunden, in denen ich schlafe. Die Stimme war anfangs sehr leise, dann energischer. Sie schwoll kurz an und beruhigte sich wieder. Die Worte kamen in Wellen, ich konnte sie aber nicht verstehen. Sie klangen zornig und schienen zwischen verschiedenen Sprachen zu wechseln, vermischt mit Schluchzen und Gelächter. Ich hörte keine andere Stimme als diese. Am nächsten Morgen war nichts mehr zu hören und seitdem nie mehr.

Beim anderen Zimmer am Ende des Ganges bin ich mir sicher. Einmal hörte ich ein Öffnen der Tür, dann ein Öffnen einer anderen Tür. Dann hörte ich das Rauschen der Dusche. Ich habe mich davon überzeugt, dass ich nicht verrückt bin. Ich bin auf den Flur getreten und habe mich vor die Duschkammer gestellt und gehört, dass dort jemand das Wasser laufen ließ. Später habe ich kleine Wasserflecken auf dem Fußboden gesehen, die zu der Tür des anderen Zimmer hinüberführten.

Zu Anfang wäre es lieber gewesen, wenn ich hier allein wäre.

Als ich diese Zeichen meiner Nachbarn vernahm, fühlte ich Enttäuschung, Bedrohung sogar. Ich hatte geglaubt, dass dieses Dorf, dieses Haus andere Mieter mit Sicherheit abschrecken würde. Jetzt fängt es an, dachte ich. Du wirst hier nicht bleiben können. Mein Körper spannte sich an, als ob er einen Schlag abwehren müsste. Inzwischen muss ich zugeben, dass ich überhaupt nichts von ihnen gehört habe und dies ein wenig bedaure. Ein wenig Abwechslung wäre vielleicht schön. Ich habe zwar ein kleines, batteriebetriebenes Radio, aber das ist nicht dasselbe wie das Wissen um eine Nachbarschaft aus Fleisch und Blut. Es muss ja nicht jeden Tag sein. Alle zwei Wochen ein wenig Geräusch, damit könnte ich mich einrichten, darauf könnte ich mich freuen. Ich habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen, wie ich weitermache. Ich die wie jeden Tag die meiste Zeit am Tisch oder auf dem Bett, blicke aus dem Fenster auf die Hauswand gegenüber, die ich mit ausgestrecktem Arm berühren könnte, wenn ich wollte. Ich versuche zu lesen oder zu arbeiten, aber alles geht langsamer, als gedacht. Die Möglichkeiten, dem leben ein gutes und kluges und saubere Ende zu setzen, sind vielfältig. Mitunter glaube ich, den goldrichtigen Ansatzpunkt gefunden zu haben, doch einmal darüber geschlafen, und schon sehe ich die neuen Denkfehler. Manchmal macht mir die Einsamkeit zu schaffen. Wer wie ich viel denkt, den erdrückt sie fast. Bislang habe ich mir nur kleine Ausflüge gegönnt. Ich öffne die Tür und gehe hinüber zum Flurfenster, von dem aus man auf den Hof und die Dorfstraße und die Felder dahinter blicken kann, und lausche. Nachts kann man einen leuchtenden Widerschein der Stadtlichter über den Hügeln sehen, einige Kilometer weit weg. Wenn die Wolken tief hängen, verdichtet sich der Lichtschein zu einer kreisrunden Scheibe, wie eine übernatürliche Erscheinung über der schwarzen Landschaft. Man möchte darauf zugehen, mit weit geöffneten Augen, in der Hoffnung, eingesogen zu werden von dieser Kuppel aus Licht. Das wäre die allersauberste Lösung. Grandios. Aber ich beschränke meine Spaziergänge auf das Tageslicht. Ich habe Angst vor der Finsternis, vor den Tieren des Waldes. Sobald ich nachts das Fenster öffne, dringen von dort die fürchterlichsten Geräusche herüber. Das wäre wirklich das grässlichste, demütigendste aller Enden, keine Frage.

Aber inzwischen kenne ich die gesamte Umgebung. Sogar bis ins Nachbardorf bin ich gewandert. Die Menschen dort grüßen jeden Ankömmling mit Hartnäckigkeit. Ich musste mich vorsehen, nicht versehentlich unfreundlich zu werden. Es gibt nichts Fürchterlicheres als die Gesellschaft von lauter Anstandsmenschen. Man muss nur ein Brot in der Bäckerei bestellen, schon beginnen sie, einen auszufragen, zu Dorffesten einzuladen, einem den Besuch in der Ortsschenke anzudienen. Widerliche Liebedienerei. Ich lobe mir die genügsamen Kressbacher. Sie stellen keine Fragen, sie veranstalten keine Feste. Sie vermeiden jede zwanghafte Geselligkeit. Es gibt keine Dorfschenke, keine Feiern, keine Begrüßungen. Nur einen kleinen, schäbigen Kaufmannsladen, geführt von einer stummen Alten geführt, die schamhaft den Blick senkt, während man bezahlt, und erleichtert ist, wenn man den Laden verlässt.

Nach Wochen habe ich beschlossen, zum ersten Mal seit meiner Ankunft wieder in die Stadt zu fahren. Nur aus Langeweile und weil mir nichts anderes mehr einfiel. Mehr aus einer Laune heraus. Trotzdem erscheint es mir seitdem, als begänne alles neu. Beim Aufbruch war meine Bewusstsein angespannt, als zähle jeder Schritt ein Vielfaches; als widerhallte jedes auch nur entferntes Geräusch, auch das leiseste Zittern der Sträucher am Wegrand in meinem Kopf, wie eine Sprache der Dinge, die mir plötzlich etwas sagen wollte. In meinen Augen macht es keinen Sinn, in Kressbach auf den Bus zu warten. An dem Haltestellenhäuschen auf der Wiese ist zwar ein Aufkleber mit einer Servicenummer angebracht, unter der man sich für ein Sammeltaxi anmelden kann. Doch wenn man dort Anruf und seinen Standort bekanntgibt, heißt es, man warte noch auf mehr Fahrgäste. Dies könne erfahrungsgemäß ein wenig dauern. Man empfehle mir die Lektüre eine guten Buches. Nie habe ich in Kressbach bei dem kleinen Holzverschlag einen Menschen warten sehen. Selten kommt es vor, dass ein kleiner Bus plötzlich gespenstisch dort steht, wie abfahrbereit, über Stunden, doch mit ausgeschaltetem Motor, die Türen verschlossen, der Fahrer nirgends zu sehen, so als wolle er demonstrativ die Dorfbewohner zum Einsteigen herausfordern. Ich ging lieber zur Landstraße hinunter und versuchte es per Anhalter.

In die Stadt zurückzukehren, war ungewohnt und abenteuerlich. Kaum war ich ausgestiegen, war ich überzeugt, sofort wieder umkehren zu müssen. Aufgebracht lief ich zunächst viele Male um den Bahnhofsplatz herum, ohne einen klaren Gedanken zu fassen. Dort konnte ich aber nicht bleiben, ich wurde beäugt von Wartenden und von Ordnungskräften, die mir vielleicht dunkle Absichten unterstellten. Daher lief ich den Schildern in Richtung der Stadtmitte nach, versuchte mich darauf zu besinnen, weshalb ich in die Stadt gekommen war. Ich suchte einen Fixpunkt, eine Orientierungsmöglichkeit und fand ein Studentencafé an der Hauptstraße. Dort achtete niemand auf mich. Ich fand Platz an einem wackeligen Tisch und hielt mich an einem Becher Kaffee fest, bis der Raum immer leerer wurde. Die Bedienung kam und machte mich darauf aufmerksam, dass das Café schließe. Dasselbe sagte sie gegenüber zu einem anderen, der als einziger außer mir noch geblieben war. Wir bewegten uns gleichzeitig hinaus und mussten im Vorraum warten, weil die Eingangstür bereits abgeschlossen war. Der andere sah mich starr an und sagte: „So soll es sein.“ Ich verstand ihn zuerst nicht richtig. Er wiederholte es. „Auf dieselbe Weise habe ich mein Zimmer gefunden“, fügte er hinzu. „Es war nur noch dieses übrig, glaube mir. Es ist etwas Besonderes.“

„Ich habe mein Zimmer auch genau so gefunden, es war nichts mehr übrig, was ich mir hätte leisten können,“, antwortete ich. Er nahm die Ironie nicht wahr oder überhörte sie.

„Dann muss es auch etwas Besonderes sein.“

„Vielleicht ist es etwas Besonderes, mag sein. Das wissen wir beide nicht.“

„Oh, ich bin verdammt überzeugt davon, dass es etwas Besonderes ist. Du bist jedenfalls der Besonderste Typ, der mir hier je untergekommen ist.“

Ich versuchte auszuweichen, ihn abzuschütteln, aber er ließ nicht locker.

„Ich weiß, dass es etwas Besonderes ist. Darf ich wissen, wo du wohnst. Komm, sag es mir!“

„Mein Gott, von mir aus. Draußen in Kressbach.“

„Ich habe es gewusst. Es ist sehr besonders!“

Er lobte die gute Luft im Vergleich zur Stadt.

„Was soll daran besonders sein?“

„Schwer zu sagen. Es passt einfach.“

„Es passt?“

„Ja, es passt zu dir, zu allem, ich weiß auch nicht warum.“ – „Ich will auch gar nicht wissen, warum.“

„Und das Haus, wo du wohnst? Einer dieser alten kaputten Höfe, oder was? Na, das habe ich mir fast gedacht.“

„Du findest, es passt.“

„Genau. Studierst du hier etwa Literatur? Ich habe von Literatur überhaupt keine Ahnung.“

Ich antwortete, ich habe von Literatur ebenfalls keine Ahnung. „Sehr gut“, antwortete er. „Ich verstehe nicht, wie man Literatur studieren kann, ohne das ständige Gefühl, genau das Falsche zu tun. Hast du keine Freundin?“ fragte er.

„Warum willst du das alles eigentlich wissen?“

„Ach, du bist einer der wenigen interessanten Leute hier, würde ich sagen. Wohin du auch siehst, lauter Studenten in der Stadt. Studenten und Leute, die von den Studenten leben. Und alles dreht sich nur um dieses dämliche Lernen. Alle sind auf ihre idiotischen Fächer konzentriert.“

„Würde mich sehr wundern, wenn du keiner von ihnen wärst“, sagte ich.

„Von denen? Den Studenten? Oder von den andern? Oh nein, da täuscht du dich. Du täuscht dich wirklich. Okay, ich gebe zu, ich habe hier studiert, mehr als mir lieb ist. Ich habe sogar einen Abschluss in Philosophie. Aber seitdem habe ich nichts, aber auch gar nichts mit dem ganzen Betrieb hier zu tun, das kannst du mir glauben.“

Sie kam als eine der letzten, als sich die Menge der Wartenden vor dem Gate schon aufgelöst hatte. Sie lächelte kurz, als sie ihn sah, und entschuldigte sich, weil ihr Gepäck so lange gebraucht habe. Das klang formell, und so sollte es wohl auch sein. Als erstes fiel ihm auf, dass ihr Gesicht hagerer, kantiger wirkte als vor Wochen, bei seinem Abschied in Berlin. War sie krank? Hatte sie gehungert? Oder war es ein Ausdruck von Strenge, Entschlossenheit? Sie wollte sich nicht umarmen lassen. Alle überflüssigen Gesten konnte er sich sparen. Er nahm ihre Reisetasche, das war eine praktische Handreichung – und sie durchquerten unter seiner Führung schweigend die Flughafenhalle und gingen hinüber zum Parkplatz. Anette kauerte sich auf den Beifahrersitz, entledigte sich ihrer Schuhe und stützte ihre nackten Füsse gegen das Handschuhfach, während er den Wagen langsam auf die überfüllte Ringstraße manövrierte. Obwohl es der Silvestertag war, war es mild, vom Mittelmeer kam eine warme Brise herauf und brachte feuchte Luft mit. In den letzten Tagen hatte es weiter oben in den Bergen Gewitterstürme und heftigen Regen gegeben. Er betrachtete Anette von der Seite: Ihr Blick war starr in die Ferne gerichtet, auf die unruhige Linie des Horizonts, über der bereits die Dämmerung aufzog.
Sobald sie die Stadt hinter sich hatten, beruhigte sich der Verkehr. Dann, als sei sie plötzlich aus dem Halbschlaf erwacht, fragte sie, ob es noch lange dauere, bis sie ankämen. Wohin sie überhaupt führen.
Siebzig, fünfundsiebzig Kilometer, antwortete er. Aber wir sollten es vor Einbruch der Dunkelheit geschafft haben.
Das ist weit, sagte sie.

Sie hatten ein paar Mal miteinander telefoniert, seit er hier war. Er hatte ihr von dem Haus erzählt, von dem abgelegenen Dorf, in dem er untergekommen war. Hatte sie es wieder vergessen? Ihre Worte kamen zäh und gedehnt. Er spürte ihren Widerstand. Warum bist du überhaupt gekommen, hätte er sie am liebsten gefragt, aber er schwieg lieber.
Etwas Merkwürdiges ist passiert, sagte er schließlich. Heute Nacht musste ich an einen alten Freund denken. Das heißt, eigentlich sind wir nicht mehr befreundet. Wir haben uns auch nie getrennt, es ist vor Jahrzehnten einfach auseinandergegangen, und keiner hatte das Bedürfnis, sich beim anderen wieder zu melden. Im Grunde hatte ich ihn völlig vergessen.
Was hast du denn nun geträumt? fragte sie.
Dass wir zusammenlebten in einer Wohnung. Wir haben nie zusammen gelebt, aber in dem Traum war es so. Da waren wir seltsam vertraut, wie ein altes Ehepaar. Eines Tages kam er an und wollte mich schminken. Er wollte einen Film drehen, und ich sollte mitmachen. Ich weiß nicht warum, aber mir erschien das im Traum völlig selbstverständlich. Nun, da steht er also hinter mir und beginnt mir mit riesigen Händen eine weiße Masse auf das Gesicht zu schmieren. Ich kann in einem Rasierspiegel beobachten, wie er außerdem meine Augen und meinen Mund mit einem rötlichen und einem schwarzen Schminkstift ummalt. Stundenlang modelliert er an meinem Gesicht herum, aber am Ende sieht alles wüst und verwischt aus. Natürlich frage ich ihn, was das solle, und warum er gerade mich für diese Rolle ausersehen hätte. Ich frage so etwas wie: Warum spiele ich nicht einfach meine Rolle, die ich immer spiele, und du spielst wie immer deine als Regisseur?
Und, was antwortet er?
Nichts. Stattdessen befielt er mir, mein Hemd ausziehen, und ich gehorche. Dann läuft er auf dem Wohnungsflur im Rückwärtsgang vor mir her und imitiert mit seinen Händen eine Kamera.
Er gibt mir Anweisungen wie: „Jetzt einen Gang wie Anthony Quinn im Glöckner von Notre-Dame.“ Oder „den Gang eines Affen“. Und ich keuche und bemühe mich, mein Gesicht nach Kräften zu einer hängenden Grimasse zu verziehen. Ich lasse meine linke Hand auf dem Boden schleifen und kenne keine Hemmungen, möglichst äffisch wirken zu wollen. Mein Freund lobt mich und feuert mich an. Er ist regelrecht euphorisch. Ich sei unvergleichlich, schreit er, genial geradezu. Er lacht vor Begeisterung und zerrt mich hinaus durch das Treppenhaus auf die Straße. Passanten bleiben stehen und klatschen Beifall. Genial, rufen sie. Gilt der Beifall nur mir oder uns beiden? Die Menge wird größer, und mein Freund raunt mir zu, alle wollten uns sehen, wir sollten weitermachen. Jeden Tag wird es eine Aufführung geben, und da ich nichts anderes zu tun habe, bleibt es dabei.

Das ist alles? fragte Anette nach einer Pause.
Ja. Mehr erinnere ich nicht.
Ein typischer Traum für dich, befand Anette.
Er schwieg. Die Straßen wurden enger, je höher sie kamen, und er tat, als beanspruche das Lenken seine ganze Konzentration. Tatsächlich waren durch die Regengüsse der letzten Tage überall  kleine Erdrutsche niedergegangen und versperrten mitunter auch die Straßen. Man musste sich vortasten, plötzlich anhalten, dem Gegenverkehr in Kurven ausweichen oder an Engpässen die Vorfahrt lassen.

Roberte und Michel, seine beiden Freunde, hatten ihn eingeladen, für ein paar Wochen hierher zu kommen, in der Einsamkeit zu schreiben und dabei ihr Haus zu hüten, während sie auf einer wissenschaftlichen Auslandsreise waren. Ursprünglich hatten sie zu zweit kommen wollen, aber seit dem Sommer hatten ihre Auseinandersetzungen an Schärfe und Erbitterung zugenommen und waren in Anettes Entschluss kulminiert, zuhause zu bleiben, während er wie ausgemacht nach Südfrankreich fahren sollte. Sie hatte ihn geradezu gedrängt, seine Verpflichtung gegenüber seinen Freunden wahrzunehmen. Dass sie ihn nun dennoch hier aufsuchte, war ihre spontane Entscheidung gewesen. Erst vor drei Tagen hatte sie sie ihm am Telefon eröffnet. Zwar hatte sie auch gefragt, ob es ihm recht wäre, aber er hatte gespürt, dass dem Entschluss eine lange Überlegung vorausgegangen war. Er war zwiegespalten, wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder sich fürchten sollte. Der Aufenthalt in dem Haus hielt nicht, was er sich davon versprochen hatte. Es war ein altes Gemäuer, das seine Freunde mühsam renoviert hatten, mit einem feuchten, schlammigen Garten inmitten eines halbverlassenes Dorfes, vollgestopft mit kuriosen Fundsachen aus aller Welt, die seine Freunde von ihren Reisen mitbrachten und offenkundig hüteten wie Schätze. Er fühlte sich unwohl in dem Haus, vereinsamt. Er hatte oft an Anette gedacht. Vielleicht versprach ihre Ankunft Linderung, vielleicht hatte sie nachgedacht und wollte einen Neuanfang. Er wusste nicht, was sie beabsichtigte, was sie sich vorgenommen hatte. Er war zu stolz, sie zu fragen; zu eitel, ihr seine kindliche Sehnsucht zu offenbaren, dass alles gut werden und seine Fehler und Kränkungen ihm verziehen würden.

Du wohnst ja weit vom Schuss, sagte Anette in das Nölen des Motors hinein. Als habe sie nicht damit gerechnet. Als habe sie ihm nicht zugehört, als er ihr mehrmals die Gegend und die Lage des Dorfes beschrieben hatte.
Wer verirrt sich in diese Wildnis?
Jetzt hast du dich hierher verirrt, antwortete er lächelnd.
Aber nicht von allein, gab sie zurück.
Nicht von allein? Machte sie ihm den Vorwurf, hierher geraten zu sein?
Sie machte Entschlüsse, dann schob sie ihm die Verantwortung zu. Eine alte Gereiztheit loderte in ihm auf. In der Einsamkeit hatte er neue Kraft gesammelt, aber er war keine Auseinandersetzungen mehr gewohnt. Er musste auf seine Gedanken achtgeben.

Sie erreichten La Sûreté, als es schon dunkel war. Die Stille beim Aussteigen fiel ihm auf, so als habe sie in Anettes Anwesenheit plötzlich etwas Bedrängendes, Herausforderndes. Er entfernte sich ein paar Schritte vom Auto, reckte sich demonstrativ lang. Am Abendhimmel waren alle bekannten Sternzeichen zu erkennen, ohne dass man sie einzeln zusammensetzen musste.
Ich sterbe vor Hunger, rief Anette.

Im Haus öffnete er eine Flasche Wein und tischte auf, was er vorbereitet hatte: frisches Brot und Käse, Obst und Salat und eine Gemüsesuppe, während Anette durch das Haus streifte und die Zimmer begutachtete. Als sie zurückkehrte, lag ein Anflug spöttischer Gewissheit auf ihrem Gesicht.
Gefällt es dir nicht? erkundigte er sich.
Eigentlich wusste er um ihre Wahrnehmung. Sie sah, was er sah. Es war kein Ort zum Bleiben. Aber das war irrelevant. Sie war nicht zum Bleiben gekommen.
Sie hockte sich an den großen Tisch und schien über eine Antwort nachzudenken. Aber eine Antwort wäre ihm schon fast peinlich. Deswegen beeilte er sich, selbst zu reden.
Er erzählte über die Landschaft, die Geschichte der Region. Er beobachtete sie, und als sie keine Reaktion zeigte, weder interessiert noch gelangweilt, wurde er mutiger, wollte sie herausfordern.
Was machen wir mit dem Abend, gab er keck von sich. In zwei Stunden ist Neujahr. Wenn gute Sicht ist, können wir auf einem der Hügel das neue Jahr begrüßen, mit tollem Blick über das Tal.
Mir ist nicht nach Feiern, erwidert sie.
Wonach ist dir? Ich passe mich an, wenn du mir sagst, was du willst.
Ihr Appetit schien verflogen zu sein, sobald er zu sprechen begonnen hatte. Sie schien in grüblerischer Stimmung versunken. Vielleicht wartete sie auch auf etwas, auf irgendeinen Moment, auf ein Signal. Vielleicht wusste sie selbst nicht, worauf sie hinauswollte. Was sollte er so mit ihr anfangen?
Er aß zuende, dann stand er auf, um den Tisch abzuräumen. Sie zog sich auf das Sofa im Wohnzimmer zurück und schaltete den Fernseher ein. Es lief der französische Jahresrückblick. Während er den Abwasch erledigte, hörte er aus der Küche, wie sie die Programme wechselte und schließlich ausschaltete.

Vor dem Küchenfenster nichts als die schwarze, feuchte Luft. Kein Licht aus dem Ort, von der Straße. Eigentlich war es eine Landschaft zum Sterben. Warum fiel ihm das jetzt erst so klar auf?
Er dachte an seine Runden, die er jeden Tag um das Haus und das Dorf gedreht und die er immer weiter ausgedehnt hatte, um dem Gefühl zu entgehen, zu früh in die Einsamkeit des Hauses zurückzukehren. Er spazierte ja täglich den felsigen Weg hinter dem Wildbach hinauf, über verlassene Obst- und Nussbaumplantagen, auf deren Wiesen noch die fauligen Früchte des Herbstes lagen; weiter hinauf zum verwaisten Parkplatz am Ende des Dorfes, auf dem sich allein ein weiß gestrichener Container befand, in dem die lokale Polizeistation untergebracht war, und darüber hinaus, wo die Wege im dichten Dunkel der Hänge verschwanden. Er schlief in La Sûreté länger als zu Haus, wahrscheinlich die beste Möglichkeit, um sich vom Haus und der Umgebung abzulenken. Vom Sofa aus starrte er oft zum Fenster hinaus und beobachtete die Veränderung des Lichts, das Ziehen der Wolken, das Kommen und Gehen von Wetterlagen. Sein Zeitgefühl hatte sich verändert. Er lebte nach dem Stand der Sonne, des Mondes und der Sterne.

Er hatte das Bedürfnis, mit ihr zu reden und setzte sich mit einer Kanne Tee zu ihr. Ihnen fiel noch immer nicht viel mehr ein als Belanglosigkeiten. Anette erzählte von irgendwelchen Briefen, die in Berlin für ihn angekommen waren; sie redeten über das Wetter, das Wetter hier und dort. Anette klagte, dass sie nie wisse, was sie anziehen solle, und dass sie in Berlin ständig Kopfschmerzen habe.
Viel besser ist es hier auch nicht, entgegnete er. Es regnet oft. Der Garten ist feucht, und abends muss man sich umziehen, weil die Kleider klamm sind. Es gibt hier keinen Schnee im Winter, auch auf den umliegenden Bergen nicht. Stattdessen überall Feuchtigkeit, die die Wände der Häuser durchsetzt.
Verlockend, antwortete sie spöttisch. Ich bin froh, wenn ich wieder abreise.
Aber jetzt bist du hier. Wir haben zu lange nicht mehr miteinander geredet. Du fragst nicht einmal mehr, was ich hier tue, wie es mir geht. Wir verlieren uns aus den Augen.
Das fällt dir früh auf!
Ja, das fällt mir auf. Meine Abreise, die Umstände, das war doch der Tiefpunkt. Wir geben unseren Plan einfach auf, dass wir die Zeit hier gemeinsam sein wollten.
Es ist schon halb zwölf…! Sie sprang auf und marschierte im Zimmer herum.
Lass uns gehen. Ich brauche frische Luft.

Sie liefen zum Ende der Dorfstraße und dann die enge Landstraße, die die Hügel hinaufführte. Er kannte sich nicht gut aus in der Dunkelheit, aber nach einer Viertelstunde kamen sie an einen Aussichtspunkt, von wo aus die wenigen Lichter in der Landschaft zu sehen waren. Es war stürmisch. Hinter einem gegenüber liegenden Hügel stiegen im Abstand einiger Minuten lautlos rote oder grüne Kugeln auf oder kleine, schimmernde Fontänen, die sofort abgetrieben wurden. Er holte eine Sektflasche aus seinem Rucksack. Sie stießen mit Plastikbechern auf das neue Jahr an, umarmten sich und standen eine Weile wortlos und unschlüssig da, während sie tranken. Weil es kalt wurde, setzten sie sich wieder in Bewegung und gingen zurück.
Im Wohnzimmer ließ sich Anette auf einen Stuhl fallen und blickte umher. Er trat neben sie und strich ihr über das Haar und die Wange und gab ihr einen Kuss.

Es riecht eklig hier, sagte sie. Ich frage mich, wie du es hier aushältst.
Sie schaute sich um. Wo schläfst du? Da oben in dem großen Bett? Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich das Zimmer dort oben nähme?
Die Frage hatte er vorausgeahnt. Am Morgen hatte er das Bett oben frisch bezogen, danach eine Zeitlang auf der Kante gesessen und den leicht abgestandenen Geruch der Bettleinen eingeatmet. Ihre erste Prüfung würde hier stattfinden, in diesem Raum  – so hatte er gedacht. Ob es ihnen gelänge, hier miteinander zu bleiben.
Das alles erschien ihm jetzt wie die Szene aus einem Film, der schon zu Ende war, und ihre Aufgabe war es, ihn fortzusetzen, weiterzuspielen, bis zum vorgeschriebenen Ende.
Jetzt zeigte sich, dass alles ganz einfach war. Er blieb an der Zimmertür stehen, während sie ihre Sachen mit gekünstelter Sorgfalt auspackte.
Ich bin wirklich hundemüde, sagte Anette. Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Sie hielt inne und lächelte ihn an.
Er trat ins Zimmer und packte seine Sachen, nahm seinen Koffer und wünschte ihr eine gute erste Nacht.
Sie wartete, bis er die Tür von außen zugezogen hatte.

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Ohne besonderen Anlass habe ich für einen Tag meinen Rückzug aufgegeben und mich für einen Tag hinausgewagt aus der Umgebung meiner kleinen Amsterdamer Dachwohnung, in die ich mich in den letzten Wochen eingeschlossen hatte. Bin zum See vor meinem Fenster hinuntergestiegen und um ihn herumgegangen, dann durch den Park hinter dem Haus bis zum Rembrandtdenkmal und zum verlassenen Musikpavillon, vorbei am Filminstitut und den bevölkerten Wiesen zwischen den Wegen zum Café Luxembourg. Benebelt vom Lärm der Straßenbahn, den ich schon nicht mehr gewohnt bin, und schließlich vom Lärm der alten, viktorianischen Bahnhofshalle der Central Station, öffnet sich wie im allmählichen Nachlassen eines Rauschzustandes vor mir die flirrende, blendende Welt aus leicht erhöhten Hafenanlagen, verkehrsreichen Plätzen, nahen und entfernten menschlichen Gesichtern. Als dann der Zug lautlos aus dem Bahnhof gleitet, wirkt die Welt, die sich hinter der gewölbten Halle hervorschiebt, nicht klein auf mich, auch wenn man es ihr in Hafenstädten gern nachsagt, und der Horizont keineswegs begrenzter als in Berlin. Eher im Gegenteil. Ich fühle mich an die stählernen Verheißungen des Hamburger Hafens erinnert, die schweren Schiffskörper, die so schwankungslos träge den sich stetig weitenden Flusslaufs hinaufgleiten, sein künstlich schimmerndes Wasser unter dem Sonnenlicht, das sich vermischt mit den Spiegelungen der Farben und scharf die Konturen der Stadt schneidet.

Dieser Zug, in dem ich sitze, ähnelt einer Vorortbahn, die Fahrt soll kaum eine Stunde dauern, obgleich sie zwei Enden eines ganzes Landes verbindet. Das verwirrt mein Gefühl für Entfernungen. Auf der Strecke bekommt man erstaunlich wenig Landschaft zu sehen. Vieles wirkt, als gehöre es eigentlich zu einer einzigen, längs der Bahnstrecke zusammengewachsenen Stadt, deren Vororte, aufgereiht ohne Übergänge, das ganze Land ausfüllen; kleine, angenehm friedlich wirkende Wohnhöfe im eigentümlich rötlichen Widerschein von Ziegelsteinfassaden, der mich wiederum an Norddeutschland erinnert. Doch all das wird von einem gewaltigen Ring von Geschäftsbauten abgeschlossen, größer und breiter als die Amsterdamer Altstadt selbst, die dagegen kleinteilig, zerbrechlich wirkt, kostbares Spielzeug. Welch neue Definition ihrer Grenzen.

Man bemerkt zunächst nicht, dass die Stadt mit diesem Riegel schon endet, ja aufhört zu existieren, ob eine andere begonnen hat – da gleitet der Zug in eine gläserne Bahnhofshalle, die an ein Flughafenterminal erinnert. Sie präsentiert einen Blick direkt auf die benachbarten, ganz nahe stehenden Neubauten. Hinweisschilder sind angebracht, die mit großen Pfeilen darauf deuten, als wollten sie den Namen der Stadt verteidigen gegen die Verwechslung mit den großen Firmenzentralen und ihren riesigen Schriftzügen. Dies aber ist Leiden. Und das dort die Universität. Die Schilder sagen es eindeutig. Geschäftshäuser als Campus der Universität. Der Name der Stadt Leiden klingt nicht nach Mühelosigkeit des Errichtens und Gründens, auch nicht nach Leichtigkeit von Ankunft und Abfahrt. Der Zug hat hier leider keine Zeit zu verlieren. Anfänglich überfüllt, hat er sich hier im Nu fast vollständig geleert und erneut gefüllt.

Mir gegenüber sitzt jetzt ein Paar von unbestimmtem Alter, das sich unablässig küsst und zugleich immer wieder nach mir und der Umgebung blinzelt, als wäre es für sie der erste gemeinsame Ausflug, das erste Mal, dass sie ihre Intimität der Welt offenbaren (was ich nicht glauben kann). Ich weiche ihnen aus, indem ich bemüht aus dem Fenster schaue, dabei jedoch unentwegt dem Spiegelbild ihrer Blicke begegne wie dem leisen Vorwurf für meine Neugier. Meine einsamen Wochen in Amsterdam werden spürbar, jetzt komme ich mir noch einsamer vor auf dieser sinnlosen Fahrt, mit der ich so nichtsnutzig zu fliehen versuche. Zweifellos beneide ich sie, aber für was? Wünsche ich mich an ihre Stelle, verschlungen mit einem mehr oder weniger vertrauten Körper eines anderen, hingegeben in Selbstvergessenheit? Oh ja, im Vergleich schneiden die beiden so viel glücklicher ab in ihrer Zweieinigkeit. Mit einem Mal öffnet sich vor dem Fenster die weite, baumlose Landschaft, beginnt der Zug über weite, brettflache Weiden mit weit hingeworfenen Viehherden hinzuschießen, und unter dem hohen Himmel mit den wilden geschwungenen Kondensstreifen von zahllosen Flugzeugen gleicht die Fahrt selbst einem Flug. Die Geschwindigkeit tut mir gut in diesem Moment, ich kann die Augen schließen, mein Bewusstsein dem Gefühl der Fahrt überlassen.

Sie endet in einer langen, lichtlosen Halle von roher Ausdehnung, die ganz plötzlich über die Fenster gestülpt wird. Das ist die Endstation, eine entkernte Fabrik zur Massenabfertigung von Reisenden, umstellt mit neuen und leeren Bürotürmen. Beim Aussteigen fühle ich mich, als müsste die Reise Tage oder Wochen gedauert haben, so schlagartig ermattet und erschöpft. Indem ich als einziger stehenbleibe, ist mein Schicksal des Weltabgewandten, des Träumers inmitten der schwirrenden und drängenden Aussteigenden besiegelt. Man lässt mich stumm zurück, und damit verlässt mich zugleich meine anfängliche, naive Hoffnung des Aufbruchs ohne Ziel, ohne Strategie. Wo bin ich hingeraten? Jetzt verlange ich nichts mehr als ein Ziel. Die große Eingangshalle des Bahnhofs besteht nur aus Eiligen und für Eilige, im Laufschritt zwischen blinkenden Kiosken, eine unablässige Bewegung zwischen Ein- und Ausstiegsmündungen. Vielleicht wäre es einfach das Beste, sich an einen dieser Kioske zu stellen, bei ihrer Kundschaft Wahlverwandte zu suchen oder allein über das Verweilen nachzudenken, nur um gerade hier die Zeit vergehen zu lassen, angesichts von unzähligen wortlosen Auftritten und Abgängen. Aber ich halte diesen Bahnhof im Denken nicht aus. Ich fliehe weiter; versuche, aus diesem Bahnhof hinauszufinden, doch das ist nicht einfach, wenn man zum ersten Mal hier ist.

Gegenüber die riesige Wand eines Parkhauses, dazwischen die Bahnsteige für Straßenbahnen. Ich wähle, weil ich mir davon verspreche, wieder zu mir zu kommen, den Fußweg durch die neue Stadt.

Auf einem Plakat sehe ich gleich darauf die Ankündigung einer Ausstellung mit Gemälden von Hans Holbein. Ich weiß nicht, in welche Richtung ich mich fortbewegen soll, aber allein die Ankündigung gibt mir wenigstens ein Ziel. Stadtplanlos wandernd und suchend stelle ich fest, dass diese Stadt eine Altstadt besitzt, die beinah unbewohnt ist. Die Szenerie rund um das Museum ist beinah irreal. Auf einem Ponton auf dem Stadtgraben, der die Westseite des Palazzo umgibt, treibt ein großes, weißes Partyzelt als Eingang und überdimensionale Werbefläche vor dem Museum, auf dem ein überdimensionales Kinderportrait in fürstlichem Gewand prangt. Schwarzgekleidete, bewaffnete Wachposten durchstreifen in Gruppen das Viertel. Als gewöhnlicher Besucher erfreut man sich derselben ambivalenten Aufmerksamkeit wie an Flughäfen. Besuchermassen drängen durch die Kontrollen und danach durch die schönen, engen eichengetäfelten Kabinette des alten Museums, in denen die Luft steht. Allerdings sind nur wenige Werke zu sehen. Meine Unlust und Ermattung wachsen wieder spürbar an. Doch hinter einem Pulk von Besuchern entdecke ich ein kleines Gemälde, das einen bemerkenswerten Mann zu zeigen scheint. Keinen König, eher einen profanen Heiligen der besonderen Art, einen herrschaftlichen Mönch. Ich erkenne es wieder von einem Besuch im Louvre, wo es normalerweise hängt: Halb abgewandt, in souveräner Verachtung des Lärms und allen Geschiebes und Gegaffes steht hier der Erasmus von Rotterdam. Ich suche, ich verlange nach Hoffnung auf innere Erhebung, mehr denn je in meinem Leben, dringlicher denn je, das Bild ermuntert mich, mich endlich dazu zu bekennen. Ich steigere mich in die eifersüchtige Behauptung meines Platzes vor dem Bild hinein; hin- und hergestoßen, aber ich stehe und stehe immer eindeutiger, mit verschränkten Armen, mit der Hand am Kinn, mit dem Ellenbogen auf den Handteller gestützt, in unerschütterlicher Betrachtung, selbst schon bin ich ein Bild geworden, zentriert in meinem Widerstand, in meiner unleugbaren inneren Verwandtschaft mit diesem Großartigen. Ja, Holbein, Holbein, du hast ein Heldenbild geschaffen, eines Helden der Abgeschiedenheit, und ich fühle mich augenblicklich getröstet, aufgehoben in meiner Leere, beschützt wie von einer Ikone vor finsteren Bahnhofshallen und vor der Zweieinigkeit der Küssenden, die meiner schutzlosen und jederzeit anfechtbaren Privatheit jede Solidarität verweigerten. Ja, Holbein, erst durch dich, so scheint mir, entdecke ich mich in den Qualitäten deiner Darstellung. Die Inszenierung der äußeren Abgeschiedenheit: der dichte, schwere Vorhang, der den Erasmus scheinbar mit Bedacht zwischen sich und die Welt gezogen hat, ist ein Signal, eine Aufforderung, es ihm gleichzutun. Sein hochgeschlossener Mantel, der nur das Gesicht und die Hände dem indirekten, intimen Licht freigibt, sammelt, bündelt alle Energien des Geistes und des Körpers, die sich in dem nach innen gerichteten Blick des Schreibenden offenbaren, der mit fast geschlossenen Lidern zugleich das ganz buchstäblich so dargestellte Handwerk seines Schreibens verfolgt. Denn in einer Vitrine neben dem Bild finden sich etliche Studien zu den Händen, Blätter bedeckt mit immer demselben Motiv ihrer einerseits festen, robusten, zugleich aber auch den Stift und das Papier scheinbar kaum berührenden Fingerhaltung, die Holbein wieder und wieder in ihrer ganzen Präzision eingeübt hat. Ja, und schließlich gelingt es ihm, diese Hände, die etwas durchaus Zupackendes haben, wie die um ein Vielfaches verfeinerten Hände eines echten Handwerkers, in dieser ruhigen, geschlossenen Haltung auf dem Schreibpult zu einer unmittelbaren Entsprechung des zugleich nach innen und außen gerichteten Blicks mit den halbgeschlossenen Lidern zu machen. Dieses Portrait ist weniger eine seiner üblichen Charakterstudien, als ein gemaltes Manifest der Konzentration, die sich mir in all diesen Tagen niemals eingestellt hat. Doch mir vertraut er sich damit an, wie mit dem Inbild einer Vaterfigur.

Die ganze Stimmung dieser Stadt ist verwandelt, als ich aus dem Museum komme und auf dem großen Markt der Altstadt stehe. Die Luft ist rein, das Aufgebot der Sicherheitskräfte verschwunden. Der Platz in der späten Nachmittagssonne ist von Familien bevölkert und hallt von Kinderstimmen wider. Eine seltsame Leichtigkeit liegt in den Bewegungen aller Menschen, und ich schwanke mit dem Glück der Bilder in mir weiter durch die Stadt, die unvermutet eine wahre Kinderseele zeigt. Zugleich graut mir vor der Rückkehr in meine Einsamkeit.

Eine altertümliche Straßenbahn fährt bis zur Endstation in Scheveningen, dessen Name mir nur durch Zeitungsmeldungen bekannt ist, in denen es um das Gefängnis geht, in dem die Inhaftierten des Internationalen Tribunals auf ihren Prozess warten. Ich habe einiges darüber gelesen, aber in diesem Moment interessiert mich nur die Nähe des Meeres, die Fortsetzung der unbeschwerten Freude. Die Bahn ist überfüllt und fährt langsam durch eine weitgestreckte Peripherie von Einfamilienhäusern, erreicht schließlich das überlaufene Zentrum des Seebades, das mit seinen klobigen Hochhausbauten eher mediterran wirkt. Die Bahn endet auf einer Wendeschleife direkt an den Dünen, nicht weit von einem weit in das Meer ragenden Schiffsanleger auf unzähligen hohen Pfählen und mit einem spiralförmigen Turm am Ende, der eher an eine Autorennstrecke denken lässt. Große Menschenmengen sammeln sich unter dem wolkenlosen Himmel, laute Musik dringt vom breiten Strand mit seinen lärmenden Buden und Animationszelten. Die Nordsee bei Windstille ohne Brandung, auf merkwürdige Weise rastlos und still zugleich. Niemand ist hier still, nichts zu sehen von den gewohnten Strandbeschäftigungen, von Kinderspielen und entspannten Körperhaltungen. Stattdessen eilige Händel in kleinen und größeren Buden, Zelten, auf Lagern, wie auf einem großen Strandbasar wird ständig gekauft und verkauft. Ungefähr für zwanzig Minuten wandere ich die Reihen von Ständen und Zelten ab in Richtung Norden. Der Trubel endet bei den alten Geschützbunkern, die in kilometerlanger Reihe halb im Sand versunken auf den Horizont starren mit ihren entleerten Augen- und Mundlöchern und ihren bekritzelten Stirnen. Und ich tue es ihnen gleich, in den letzten wärmenden Strahlen des Jahres, an der stillen See, bei 25 Grad im September.

Die feuchte Luft hing als grauer Vorhang über der Wüste, jetzt, da überall die Grasbüschel sprossen. Es hörte auf zu regnen, und Gennadi hielt seinen Lada an. Ein paar Minuten standen wir da und lauschten dem Ticken des erkaltenden Motors, während sich um uns herum die Stille zusammenzog. Im Dunst zeichnete sich eine schwache Kontur ab wie eine Einbildung. Ein abstraktes Gebilde, schemenhafte Zacken inmitten einer zu allen Seiten undefinierten Ebene. Gennadi drehte erneut den Zündschlüssel, und wir rollten langsam weiter.
Zuerst sah man nur Ausschnitte einer vom Wüstensand abgeschmirgelten Metallhaut. Große Wände, rostig, rau, wie der Rumpf eines gestrandeten Schiffes. Wir fuhren näher ran, und hinter den Wänden öffneten sich Kathedralen voller Schutt und Dunkelheit. Schwer zu sagen, wie groß sie früher einmal gewesen sein mögen, denn sie fielen nach und nach auseinander, verloren sich in der Ebene, über der der Dunst eine rostrote Tönung angenommen hatte. Einige herausstechende Pfeiler in der Ferne markierten noch die Abgrenzungen des früheren Kraftwerks, sich über das ganze Gebiet ausgebreitet hatte, als Trümmerlandschaft aus verbeulten Tanklagern und Trafostationen, Ölseen und dem endlosen Gestrüpp verkrümmter Gleise, auf denen noch die ausgeweideten Kadaver von Zugmaschinen und Lastwagen lagen. An den zerplatzten Fassaden einer Hochhaussiedlung flatterten bunte Tücher, und auf den Dächern standen Leuchtreklamen im verblichenen Sowjetrot. Zwischen den Hochhausblöcken wirbelte Plastikmüll im Kreis. Es war das Jahr 2008 post Christum. Gennadi beschleunigte den Lada, als wir auf die Andeutung einer Sandstraße einbogen. Ich fragte ihn, ob hier noch Leute lebten. Er sah mich erstaunt an. Schließlich sagte er: „Achtzigtausend.“

Er warf seine Zigarette aus dem Fenster und kurbelte die Scheibe hoch, bevor wir in das Zentrum der Stadt hineinfuhren. Er fürchtete, angehalten zu werden. Aber im Gegensatz zu Tiflis gab es in Rustawi keine Polizisten mehr, es gab nicht einmal die üblichen Eckensteher. In der Mitte des zentralen Platzes stand einfach ein großer Sockel, der früher ein Lenin-Denkmal getragen hatte. Wir fuhren einige Male im Kreis drum herum, ohne uns um die Richtung zu kümmern. Über den Straßen verfilzten sich Strom- und Telefonleitungen. Die Straßenlampen brannten auch bei Tag. Der Dunst begann sich allmählich zu lichten, und darüber erschien ein zartes Gitter aus hellen Streifen, kreuz und quer über den blassblauen Himmel gezogen von den Fliegern aus Istanbul, Teheran oder Moskau und rasch aufquellend wie Teig. Ich stieg aus und kaufte Proviant in einem der Läden, die sich in den verwitterten Wohnblöcken eingenistet hatten. Kartons stapelten sich bis unter die Decke mit kyrillisch beschrifteten Konservenbüchsen neben Vorratssäcken, die noch den Stempel der Vereinten Nationen trugen. Der Ladenbesitzer holte Wasserflaschen aus einem verrosteten Kühlschrank. Er war ein dürrer, beständig zu Boden blickender Mann mit wenigen schwarzen Haarsträhnen, die sich quer über seinen sonst kahlen Schädel zogen. Er antwortete auf keine meiner Fragen und verlangte nicht einmal Bezahlung. Schließlich legte ich ihm ein paar Lari-Münzen auf den Tresen und verdrückte mich, als hätte ich ihn bestohlen.

Aber Rustawi war nicht unser eigentlich Ziel. Jemand hatte mir empfohlen, weiter zu fahren zu den Höhlenklöstern direkt an der Grenze zu Aserbaidschan. Völlig zu Recht, wie sich herausstellte, denn sobald wir die Peripherie der verfallenen Stadt hinter uns gelassen hatten, erhob sich die Silhouette einer markanten Höhenformation am Horizont. Der Wüstenwind hatte ihr ein gleichmäßige Wellenform gegeben. Je näher wir kamen, desto mehr zerfiel die Landschaft vor unseren Augen. Irgendwann vor einigen zehntausend Jahren war dieses ausgemergelte Kontinentalstück aus einem verschwundenen Meer emporgetaucht. Die Abbruchkanten rieselten, die Felsen schrumpften unter der Hitze und atmeten ihr Salz aus, und das freigelegte Sedimentgestein leuchtete rot in der Sonne wie aufgeschnittenes Fleisch. Ich sah Trümmerstücke, Fundamente von Häusern, die fast ganz im Wüstensand verschwunden waren, aber sie gehörten nirgendwo hin. Es gab keine Dörfer hier, keine Siedlungen oder Fabriken. Gennadi sagte, es handele sich um Hinterlassenschaften der Roten Armee aus der Zeit des Afghanistankrieges. Er meinte den sowjetischen Einmarsch Ende der Siebziger. Die Gegend gilt mittlerweile als heiliger Ort des neuen Georgiens. Nicht wegen der Roten Armee, klar. Aber wegen der Studenten, die damals aus Tiflis hierherzogen und protestierten, weil die Sowjetpanzer die Höhlenklöster für Schießübungen nutzen. Heute hört man, das sei der Beginn der georgischen Unabhängigkeitsbewegung gewesen, die „auch“ zum Sturz des Sowjetregimes beigetragen habe.

Wir stiegen einen der Hänge hinauf. In den Bruchkanten kristallisierten sich Blase Abdrücke von Muscheln heraus. Ich blieb stehen, sammelte einige von ihnen auf und fand dabei auch ein paar auch ein paar Rubelmünzen. Sie hatten die grünliche Farbe der Fossilien angenommen. Oben auf dem Plateau stand ein neu errichteter Ziegelbau, dem Dach und Fenster fehlten. Davon stand ein alter Nissan Pickup und weiter oben auf einem Vorsprung ein gemauerter Turm, dessen Spitze abgebrochen und als ganzes den Hang heruntergekollert war. In die Flanken des Felsens waren Mönchszellen gehauen, deren Wände mit kyrillischen Zeichen übersät waren. Die Grenze nach Aserbaidschan lief mitten durch das Gebiet. Aber nur auf meiner Karte war ihr Verlauf zu sehen. Sie ist die am besten bewachte der Welt, behauptete Gennadi und deutete zum Himmel mit einem Blick, als verfüge er über geheimes Wissen.

 

Vieles ereignet sich ohne Worte. Viele Menschen brauchen eine starke Hand, einen Bändiger. So jedenfalls hatten es ihm seine Lehrer vorausgesagt. Diese Rolle fiel Martin schwer. Ruhig und besonnen wollte er sein – ein Erklärer, kein Bändiger. Doch das funktionierte nicht immer.

Wenn einer seiner Klienten die Kontrolle verlor, außer sich geriet, aggressiv wurde, gegen sich selbst oder andere zu wüten begann, hatte Martin in den ersten Jahren noch Sitzungen abbrechen müssen. Oft hatte er an seiner Eignung für den Beruf des Therapeuten gezweifelt. Niemand machte ihm Vorwürfe. Aber er spürte, dass es an ihm lag.

Viele kommen, ohne die Methode zu verstehen. Sie haben nur davon gehört, und das reicht ihnen, um eine kostspielige Einzelsitzung mit ihm zu vereinbaren, anstatt sich zunächst in einem Gruppenseminar zu orientieren. Sie verzichten auf alles, was einen vernünftigen Kunden auszeichnet. Sie informieren sich nicht über das Produkt, die Dienstleistung, die sie zu erwerben gedenken. Sie haben es nicht einmal nötig, zu einem der offenen Einführungsabende zu kommen. Sie gehen sofort aufs Ganze. Sofort das Maximum, die oberste Stufe, die Premiumklasse, so denken sie im Glauben, dass nur das Teuerste auch am wirksamsten hilft. Dann nehmen sie sich einen Tag frei von ihrer Arbeit, bestellen ihn zu sich nach Hause, wo sie sich unbeobachtet wähnen und erhoffen sich ein Wunder. Ja, für einen Wunderheiler halten sie ihn. Doch die Methode trifft sie dann unvorbereitet mit voller Wucht. Es hat keinen Sinn, sie zu den Einführungsseminaren zu zwingen. Viele zeigen Zertifikate von anderen Anbietern vor. Doch wenn sie ihn dann nach dem Ende der Sitzung flehend und verständnislos vor ihm hocken, ihn anstarren, weil es ihnen noch schlechter geht als je zuvor, weiß er, dass sie nichts verstanden haben. Doch von ihm wird erwartet, dass er ihnen jesusgleich die Hand auflegt.

In den letzten Jahren hat er gelernt zu schweigen, abzuwarten, wenn man ihn bestürmt; ihre Vorwürfe zu überhören, ihre Flüche und Verzweiflungsausbrüche; wenn sie ihn hysterisch anschreien: „Diese Hölle soll erst der Anfang sein? Wollen Sie mich verarschen, Sie Scharlatan? Was haben Sie aus mir gemacht, Sie Teufel?“
Er selbst versteht die Wirkung der Methode nicht immer. Allein die eigenen Erfahrung bestätigt sie wieder und wieder. Wenn er versucht, sie zu erklären, stößt er an die Grenzen der Sprache, und eigentlich will es auch niemand hören. Es ist zu kompliziert, es setzt zu viel voraus, zu viel Erfahrung mit der menschlichen Natur. Nur die Lehrenden selbst erahnen das Geheimnis. Aber auch sie nähern sich diesem Geheimnis immer nur an.
Ja, er ist routinierter geworden – auch wenn ihm das Wort nicht gefällt. Viele Situationen ähneln einander. Viele Fragen klären sich von ganz allein, sei es durch Einsicht, durch Vergeblichkeit oder auch durch seinen neu gewonnene Autorität. Es hat seit Jahren keine schwerwiegenden Zwischenfälle mehr gegeben – wenigstens keine, die er nicht hätte lösen können, seit er sich nicht mehr verantwortlich fühlt für das Unglück der anderen.

Er hat gehört, dass seine früheren Lehrer ihn mittlerweile kritisieren, weil er ihren Lehren eigene hinzugefügt und sie dadurch verändert habe. Das zeigt ihm, dass er sich entwickelt hat; dass sie seinen Erfolg anerkennen. Er ist selbstbewusst genug, zu erwidern, dass seine Veränderungen ihre Lehre verbessern. Starre Lehren helfen keinem. Heilen ist keine Religion.  Viele sind seither aus den Kursen der Lehrer in seine hinübergewechselt. Die Nachfrage hat in letzter Zeit die Zahl seiner freien Plätze und Termine übertroffen. Er hat davon gehört, dass sich in seinen Seminaren Paare gefunden hätten. Neugeborene Kinder tragen seinen Namen.

Das große Sommerseminar auf Kreta ist der Höhepunkt eines jeden Heilungsjahres. Mit den Teilnehmern ersteigt er einen von knorrigen Büschen bewachsenen Höhenzug hinauf zu einem Felsplateau hoch über der Großen Ardana-Schlucht, die steil zum Meer hin abfällt. Sie bilden einen Kreis; Namen und Aufgaben werden zugeordnet. Jeder hat eine Frage, zu denen sich die anderen in wechselnden Konstellationen aufstellen und dann, je nach Verlauf der Geschichte, die der Fragende vorträgt, Zug um Zug ihre Positionen wechseln. Zögernd noch am ersten Tag, weil sie die neuen Rollen erst einüben müssen; doch schon bald bewegen sich alle wie selbstverständlich zu jeder einzelnen Geschichte, wie von unsichtbarer Hand gelenkt.
Einer tritt dem anderen plötzlich nah, berührt ihn, und der andere, der den fremden Atem und Blick auf sich spürt, kann sich nicht entziehen. So steht Georg jetzt direkt vor Agnes. Sie vermag sich nicht zu regen, obgleich sie ihm eigentlich hatte ausweichen wollen. Nun aber erscheint sie wie gelähmt. Sie wendet sich ab, will ihn nicht ansehen. Er aber brüllt: „Schau mich endlich an!“ und hält seinen Zeige- und Mittelfinger zum V gespreizt auf seine aufgerissenen Augen gerichtet. „Schau mich an! Du gemeine… verachtenswerte…!“ Seine Stimme überschlägt sich, er bringt seine Worte nicht zu Ende.
Auf dem äußersten Kulminationspunkt einer Situation greift Martin ein und löst sie auf. Er tritt in die Szene, beruhigt die Aufgebrachten und Verängstigten. Anschließend befragt er in Einzelgesprächen zuerst Agnes, dann Georg. Doch beide sind noch zu sehr in ihren Rollen befangen um zu antworten. Martin klatscht laut in die Hände, und auf sein Kommando lösen sich alle aus ihrer angespannten Haltung, schlendern umher, schütteln ihre Gliedmaßen aus. Wasserflaschen und Brote werden aus Rucksäcken gezogen. Nur Agnes steht abseits, und für einen Moment wirkt es, als würde sie tatsächlich zusammensinken. Martin stützt sie mit einer Umarmung und richtet sie sofort wieder auf. Agnes bittet ihn, zur Pension zurückwandern zu dürfen, aber er antwortet, es sei besser, wenn die Gruppe zusammenbliebe. Sie könne sich aber hier eine Pause nehmen, so lange sie wolle. Agnes sieht ihn scheu an und lässt sich schließlich etwas abseits in das trockene Gras fallen, mit dem Blick weit hinaus auf das Meer.