Berlinde de Bruyckeres Figuren wirken, als hätten sie nach tödlicher Qual ihren Frieden gefunden. Manche halten sich liebevoll als Paar umschlungen. Oft liegen sie auf Kissen, Matratzen oder Wolldecken gebettet. Die scheinbar direkt nachbildende Art ihrer Ausführung, die unmittelbare Wiedererkennbarkeit menschlicher oder tierischer Körper, selbst wenn sie nur als Torso erscheinen, lassen wenig Raum für Interpretationen. Es ist das Faszinosum der Vergänglichkeit, ihrer Ambivalenz zwischen Leid und Erlösung, auf das diese Arbeiten monothematisch hinlenken. Die burleske Dramatik eines Francis Bacon, mit dessen Malerei de Bruyckeres Werk oft verglichen wird, fehlt ihnen ebenso wie die trockene Ironie eines Bruce Naumans. Eine eigentümliche Stille breitet sich um die gemarterten Körper aus, weil die Künstlerin ihnen, als wären sie echte Leichname, ein nicht aufgesetztes Pathos und Mitgefühl angedeihen lässt.

De Bruyckere richtet sich scheinbar an Motiven mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kunst aus – sie nennt als Bezugsgrößen Hieronymus Bosch und die Brueghels, den Hochaltar Jan van Eycks in ihrer Heimatstadt Gent, Albrecht Dürer und Lucas Cranach des Älteren, aber auch Malerei und Skulptur des Barock. Vieles andere ließe sich aus kunsthistorischen Zeiten anfügen, als den Tod noch eine Demut gebietende Aura umgab. Ihm diese glaubwürdig über den Weg der figurativen Kunst zurückgeben zu wollen, ist in der Gegenwartskunst kein ganz selbstverständliches Vorhaben.

Filme Pier Paolo Pasolinis haben de Bruyckere auf ihrem Weg der Aktualisierung beeinflusst, insbesondere „Das Erste Evangelium – Matthäus“, in dem der Körper in seinem Leiden und Begehren in die Dimension eines überzeitlichen Mysteriums erhoben wird. Mit Pasolini, aber in anderer Hinsicht auch mit Joseph Beuys oder Hermann Nitsch verbindet de Bruyckere das Wagnis, archetypische Bildformeln mit einer heute als fast obszön verheimlichten Sehnsucht nach Transzendenz zu einem aktuellen Thema für Gegenwartskunst zu verbinden. Das Überzeitliche dieser Bildformeln verfolgt sie dabei mit einer Konsequenz, die man seit Malewitsch und Duchamp wohl kaum mehr für möglich gehalten hätte.