In Berlin und anderen Städten gerade in Ostdeutschland fallen in den letzten Jahren immer mehr die mit erkennbarem ästhetischen Aufwand aufgemöbelten öffentlichen Grünflächen und Parks ins Auge, die vor wenigen Jahren noch struppigen, mit Müll und anderen Altlasten durchsetzten Brachen geglichen haben. Plötzlich und an etlichen Orten zugleich schien jedoch der Volksparkgedanke wieder aufzuleben, manchmal sogar unter virtuos anmutender Einbeziehung von DDR-Bauten, wie im Berliner Volkspark Friedrichshain, wo sich vis à vis von einem zugeschütteten Nazi-Flakbunker, einem Denkmal für polnische Kriegsopfer, und Ludwig Hoffmanns »Märchenbrunnen« aus den 1910er Jahren sowie einer wiederentdeckten Denkmalstele Friedrichs II. aus dem 19. Jahrhundert wie selbstverständlich ein renovierter Pavillon der DDR-Moderne als Nobelrestaurant geriert. Ähnlich aufwendige Stilpanoramen findet man inzwischen auch in Leipzig, Dresden, Potsdam, Dessau/Wörlitz oder Schwerin; im Westen wurden da und dort schon in den 1990er Jahren alte Volks- oder Schlossgärten reanimiert.

Gut möglich, dass diese historisierenden Umgestaltungen von städtischen Freizeitzonen in den Normalisierungsdiskurs der Berliner Republik einzuordnen sind. Dass es zum Zeitgeist in Stadtverwaltungen und bei nicht wenigen BewohnerInnen der Orte gehört, möglichst viel »alte Bausubstanz« repräsentativ wieder herzurichten oder zu rekonstruieren, wie auch bei den »kritischen Rekonstruktionen« historischer Stadtschlösser, Kirchen, ganzer Innenstadtbilder. Der einst revolutionären Volksparkidee, die darin bestand, schichtenübergreifend Erbauung in großen, zuvor nur dem Adel zugänglichen Parks und Gärten zu ermöglichen, käme heute die Funktion einer gutbürgerlich gemeinten Konsenslandschaft zu, durch die man wieder ganz entspannt, »unkompliziert« mit der Vergangenheit umgeht, die man in diesen Anlagen nicht zuletzt als Kultur wahrnimmt, auch wenn (oder gerade weil) es die »deutsche« ist.

Doch kann diese Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Erholungsräume zugleich in der Versenkung verschwinden. Und so, wie sie auf den Fotografien von Isabella Hollauf wirken, scheint dies auch beabsichtigt zu sein. Diese Anlagen dürften außerdem in der deutlichen Überzahl gegenüber den restaurierten sein: seltsam blicklos geworden, unansehnlich oder gleich unsichtbar, weil überbaut.

Der Donaupark in Wien etwa war das Vorzeigeprojekt einer öffentlichen Freizeitkultur der 1960er Jahre in Österreich. Eröffnet zur Internationalen Gartenschau, versprach dieser Park Erholung und Bildung für alle. Ein Zeitungsfoto jener Zeit, das Hollauf recherchiert hat, zeigt einen Wegweiser, auf dem das überbordende Angebot aufgelistet ist, das von Milchbar über Sessellift zur Industrieschau reicht – alles gratis, versteht sich. Dazu Lesegärten und Wasserspiele, Seminarräume und Sportanlagen. Davon ist in Hollaufs aktuellen Aufnahmen nichts mehr zu sehen. Rentner und Jogger teilen sich den jetzt seltsam leer wirkenden Park. Teilweise sind Apartments herangerückt, deren Bewohner den Park aber nicht nutzen.

Öffentliche Bäder, Kleingartenvereine, Schwimmstadien oder Baggerseen, Spielplätze künden in den historischen Materialien, die Hollauf an den Wänden der Ausstellung in einer Reihe ausbreitet, von einem wohlstandsstolzen Gesellschaftsgefühl, das zugleich die öffentliche Erholung von der Wiederaufbauarbeit nach dem Krieg bestimmte. Vor allem sozialdemokratisch dominierte Administrationen in westlichen Ländern scheinen Hollauf zufolge diese Strukturen gefördert zu haben: Arbeiter und Angestellte für den geleisteten wirtschaftlichen Wiederaufstieg kollektiv zu belohnen, indem man kostenlose Freizeit ermöglichte, die sich auch am Ideal einer zwanglosen Volksbildung orientierten durfte. Dem Normalisierungsdiskurs dieser Jahre haftete freilich immer noch das Bewusstsein an, dass man für Normalität im Grunde dankbar sein musste. Die Großzügigkeit der Anlagen, die Hollauf dokumentiert, zeugt davon wie auch der Erleichterung über die Normalität auf allen Ebenen.

Dass die sozialistischen Staaten, die sich in dieser Zeit ebenfalls einer aufstrebenden Wirtschaft erfreuten, ihrem Selbstverständnis gemäß einen Teil der erwirtschafteten Gewinne in Erholungsräume für die Arbeiterschaft investierten, dürfte wiederum selbstverständlich gewesen sein. So entstand aber gerade in sozialistischen Ländern eine so reichhaltige Freizeitinfrastruktur, dass ein Großteil von ihnen schon vor dem wirtschaftlichen und politischen Bankrott dieser Staaten nicht mehr zu unterhalten war.

Hollaufs nüchterne wie auch melancholische Fotoserien dokumentieren die Abschaffung einer Gemeinschaftsstruktur, die sich offenkundig überlebt hat, weil sie womöglich nicht distanziert, nicht spielerisch genug mit der Geschichte umging, aus der sie hervorgegangen war. Eher erinnerten sie immer noch an die Mühen und Depressionen der fortdauernden Bewältigung dieser Geschichte, die nach dem vergleichsweise mühelosen Sieg des westlichen Wirtschaftssystems weitgehend vergessen sind, außer von denen, die sie selbst erlebt haben.

Hollaufs Bilder legen auch den Eindruck nahe, dass es bei diesen Anlagen keine behutsame Transformation, keine Versuche einer rücksichtsvollen Anpassung an eine heutige Freizeitästhetik gibt und geben soll, sondern nur Auslöschung: Absperrung, Überbauung mit Parkplätzen, Wohnungen, Straßen. Wenn Hollauf gar von einer verlorenen Utopie spricht, neigt sie sogar selbst schon dazu, die Orte zu dematerialisieren. Es gab diese Anlagen wirklich.

(Springerin, 04/2008)